Die besonderen Urlaubs Empfehlungen (Juli 2018) - Buchhandlung und Verlag Bornhofen in Gernsheim am Rhein

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Die Urlaubslieblinge in 2019.
Die Urlaubslieblinge in 2018.
Ralf Schwob empfiehlt:
Betrogene Hoffnungen

Mechtild Borrmann schreibt ungemein spannende Kriminalromane, denen sie durch die Hinzufügung einer geschichtlichen Dimension das „gewisse Etwas“ verleiht. In „Die andere Hälfte der Hoffnung“ bildet eine russische Familiengeschichte diesen Hintergrund – eine Familie, die in der Nähe von Tschernobyl lebt, und zwar vor, während und auch nach dem Reaktorunfall. Zwei junge Frauen aus der Gegend entkommen rechtzeitig in den Westen, doch die studentische Vermittlungsagentur entpuppt sich als Schlepperbande, welche die Mädchen in Deutschland zur Prostitution zwingt. Während die Mutter in der verstrahlten Entfremdungszone auf eine Nachricht von den beiden Mädchen wartet, kann eine der beiden, Tanja, den Entführern bei einem Transport entkommen. Kurz vor der niederländischen Grenze gerät sie auf den Hof des verbitterten Bauern Matthias Lessmann, der das Mädchen vor ihren Verfolgern beschützt und bei sich aufnimmt. Tanja findet etwas Ruhe auf dem abgelegenen Hof und freundet sich mit dem wortkargen Bauern an, ohne ahnen zu können, dass Matthias Lessmann nicht ganz uneigennützige Gründe für seine Hilfsbereitschaft hat …

Mechtild Borrmann: „Die andere Hälfte der Hoffnung“, Verlag Droemer Knaur, TB € 10,99, ebook € 9,99, 978-3-426-30483-9

Das Leben, der Tod und der ganze Rest

Der zwölfjährige Alex hat es nicht leicht. Als Sohn einer alleinerziehenden Esoterikerin und mit Hobbys wie Astrophysik und gehobener Literatur macht man sich an der Mittelschule einer durchschnittlichen englischen Kleinstadt keine Freunde. Im Gegenteil: Alex wird gemobbt und auf dem Nachhauseweg von einigen Rowdies aus seiner Klasse verfolgt, so dass er Zuflucht im Garten eines älteren Mannes sucht. Leider richtet Alex dabei einige Verwüstungen in dessen Pflanzenbeeten an, woraufhin er von seiner Mutter zur Wiedergutmachung verpflichtet wird. Der alte Mr. Peterson legt zunächst keinen großen Wert auf Alex‘ Hilfe, aber mit der Zeit kommen sich die beiden näher, und am Ende ist das gegenseitige Vertrauen sogar so groß, das Mr. Peterson Alex um einen ungewöhnlichen Gefallen bittet …

„Das unerhörte Leben des Alex Woods“ ist ein skurril-schräger Freundschaftsroman, der ganz leicht und mit viel (schwarzem) Humor die großen Themen verhandelt, eben das Leben, den Tod und den ganzen Rest.

Gavin  Extence: „Das unerhörte Leben des Alex Woods. Oder warum das Universum  keinen Plan hat“, Blanvalet Verlag, TB € 9,99, HC € 19,99, eBook € 9,99  978-3-7341-0098-4
Der Kosmos der eigenen Kindheit

Wenn Schauspieler literarische Bücher schreiben, geht das oft schief. Ein begnadeter Darsteller ist eben nicht auch automatisch ein guter Erzähler. Bei Matthias Brandt liegt jedoch tatsächlich eine Doppelbegabung vor, denn sein Geschichtenband „Raumpatrouille“ ist keine Anekdotensammlung, sondern eine gelungene Zusammenstellung literarischer Erzählungen. Es sind Geschichten aus der Kindheit des Willy-Brandt-Sohns, der in den frühen 70er Jahren in der Kanzlervilla in Bonn aufwächst. Dabei verwischt Brandt bewusst die Grenzen zwischen Autobiographischem und Fiktivem, so dass seine Geschichten auch immer etwas Allgemeingültiges über die Sehnsüchte, Nöte und Freuden eines knapp 10-jährigen Jungen zum Ausdruck bringen. Erzählt wird unter anderm von der Faszination des Jungen für den einsamen Wachmann, der in einem kleinen Häuschen vor der Kanzlervilla seinen Dienst versieht, oder von dem Abenteuer, bei einem gleichaltrigen Freund zu übernachten. Brandt erzählt vom Tod seines Hundes und von merkwürdigen Ausflügen, von Fußballspielen und Sonderbehandlungen, die ihm nicht zuteilwurden. Und er tut es mit der ruhigen und klaren Sprache eines geborenen Erzählers.

Matthias Brandt: „Raumpatrouille. Geschichten“, Verlag Kiepenheuer und Witsch, TB € 9,99, HC € 18,00, eBook € 9,99, 978-3-462-05157-5
Ursula Fuchs empfiehlt:
Direkter geht’s kaum

Stephan Orth ist Couchsurfer. Das ist nicht das gleiche, wie Nutzer von AirB&B zu sein – Couchsurfer müssen sich ordentlich um einen Schlafplatz bewerben, denn die Gastgeber überlassen nicht nur besagte Bettstatt, sie binden die Surfer auch mit in ihr Leben ein. Orth reist so schon seit vielen Jahren, sein erstes Buch handelt von den Begegnungen im Iran, dessen Menschen, wenn man hinter die Schleier blickt, lebensfroh und gastfreundlich sind. Sein zweites Buch ist gerade sehr aktuell, denn dafür reiste er quer durch Russland, von Moskau bis Wolgograd, von Irkutsk bis Grosny. Mit Fußball hat es trotzdem nichts zu tun, sondern mit den Menschen in dieser Riesennation und mit ihren Lebensumständen.

Orth ist ein Erzähler, der das Unterhaltsame oder Abenteuerliche genauso gut beschreiben kann wie die eher traurigen oder schwierigen Passagen. Und alles zusammen ergibt eine wundersame, wunderherrliche, spannende Mischung: Da ist vom schelmischen Zar Peter die Rede und den „doch nicht so harten Typen im Nordkaukasus“, einem taxifahrenden Historiker mit vielen Lachfalten und vielen, vielen anderen Menschen, es ist die reine Freude. Orth schärft unsere Sinne sowohl für die Begebenheiten, in denen wir Menschen doch sehr ähnlich reagieren und zeigt gleichzeitig die Unterschiedlichkeit der einzelnen Personen auf. Und so entsteht ein Bild von Russland, das fein ausgearbeitet, teilweise sehr lustig und daneben auch noch ausgesprochen lesbar ist.

Stephan Orth: „Couchsurfing in Russland“, Malik Verlag, € 16,99, eBook € 14,99, 978-3-8902-9475-9
Ein Schmöker

Fast 70 Jahre hat dieser Klassiker „auf dem Buckel“ und er ist immer noch und immer wieder herrlich süffiges „Lesefutter“! Die in Wien geborene Annemarie Selinko hat für ihren Roman ‚Désirée‘ sehr gut und intensiv recherchiert – die historischen Personen und Daten sind weitestgehend korrekt dargestellt und eingewoben in eine Geschichte, die mitreißend erzählt ist.

Was sie in ihr Tagebuch schreiben soll, das weiß Eugénie Désirée Clary erst, als es tatsächlich etwas zu erzählen gibt: Im März 1794 begleitet sie ihre Schwägerin Suzanne in die Präfektur, sie wollen die Freilassung von Suzannes Mann erreichen, der von den Revolutionären festgesetzt worden ist. Dort trifft Eugénie auf Napoleon Bonaparte – und es ist Liebe auf den ersten Blick. Er verspricht, sie zu heiraten und reist ab. Viele Monate später muss Eugénie erfahren, dass er inzwischen verheiratet ist und bei dem Versuch, in seine Nähe zu gelangen, lernt sie Jean Baptiste Bernadotte kennen. Und wird nach vielerlei Wirren die Gattin dieses großen, als sehr fair gelobten Kriegshelden – und nach vielen, vielen Jahren an seiner Seite Königin von Schweden. Warum und wie? Das lesen Sie am besten selbst in diesem großen Unterhaltungsroman!

Annemarie Selinko: „Désirée“, Verlag Kiepenheuer und Witsch, TB € 9,99, eBook € 9,99, 978-3-462-03102-7
Der Don-Quijote-der-Neuzeit

Dr. Ulrich Hasselmann ist Altphilologe – schon immer hat er sich für Dinge interessiert, die lange vorbei und darum ungefährlich sind. Er ist verheiratet mit der bezaubernden Bibliothekarin Meike und hat zwei nicht weniger bezaubernde Töchter. Und er ist völlig verblüfft, als er eines schönen Tages einen Brief vom Jugendamt bekommt, dass das Wohl seines Kindes gefährdet wäre: Die beiden sitzen doch gesund, munter und wohlanständig vor ihm am Tisch! Es muss ein Fehler vorliegen und Fehler klärt man am besten von Angesicht zu Angesicht, er nimmt also einfach den vorgeschlagenen Termin wahr. Allerdings muss er feststellen, dass die Mutter des Jungen tatsächlich vor vielen Jahren – er war in Geldnot – in einer Scheinehe mit ihm verheiratet war. Und vielleicht, nur vielleicht gab es tatsächlich ein paar Minuten in denen er sich nicht so ganz im Griff hatte. Und so übernimmt er die wahnwitzige Aufgabe, sich um einen Jungen zu kümmern, der bereits mit der Rumänenmafia und Russlandinkasso zu tun hatte. Auch wenn er eigentlich weiß, dass er als 165-cm-Mann völlig ohne Kampferfahrung und Wehrhaftigkeit im Grunde nicht die geringste Chance hat.

Stefan Schwarz hat mit „Die Großrussin“ eine herrliche, lustige, hintersinnige Mischung aus Komödie und Tragödie geschrieben, wobei die witzigen Passagen uns Leser*innen viele, viele Lachtränen entlocken. Dabei wächst Dr. Ulrich Hasselmann in einer Art über sich hinaus, dass man ihn eigentlich nur bewundern kann!

Stefan Schwarz: „Die Großrussin“, Rowohlt Verlag, TB € 9,99, eBook € 9,99 978-3-499-26697-3
Lucia Bornhofen empfiehlt:
Nicht in die Jahre gekommen!

Die Rechtsanwältin Karen Borg findet beim Abendspaziergang mit ihrem Hund eine schrecklich entstellt Leiche. Einige Tage darauf wird sie im Osloer Polizeigebäude vorstellig; nicht etwa, weil sie noch zusätzliche Angaben zum Fund machen muss, sondern weil der Hauptverdächtige ausgerechnet sie als Anwältin haben will. Obwohl sie auf Wirtschaftsrechts spezialisiert ist. Sie wird trotzdem die Anwältin des heruntergekommenen Niederländers, der sich mit Drogenhandel ein Zubrot verdient hatte und plötzlich zum Mörder geworden ist. Bald gibt es einen zweiten Toten, einen nicht sehr angesehenen Rechtsanwalt mit Namen Hans A. Olsen. Die beiden Toten waren Mandant und Anwalt und so vermuten die Ermittlerin Hanne Wilhelmsen und Adjutant Hakon Sand einen Zusammenhang – eine Vermutung, die sich als richtig erweist. Die beiden untersuchen einen Fall, der weit mehr ist als zweifacher Mord und der bis in die obersten Gesellschaftsschichten führt …

„Blinde Göttin“, der erste Kriminalroman rund um die Ermittlerin Hanne Wilhelmsen ist bereits 1993 erschienen, dieses Buch lebt von einer sehr genauen Beschreibung der Personen, des Polizeiapparates und außerdem von einer sehr gut recherchierten und erzählten Story. Seine Themen Drogenhandel und mafiöse Strukturen sind ja (leider) immer aktuell – und so ist Anne Holts erster Kriminalroman auch heute noch hervorragende Krimikost!

Anne Holt: „Blinde Göttin“, Piper Verlag, € 9,99, eBook € 8,99, 978-3-492-23602-7
Der Club de Giuliettas

Glenn Dixon war Lehrer an einer kanadischen High School, viele Jahre lang unterrichtete er 15-, 16-jährige Mädels und Jungs in ihrer Muttersprache Englisch - im Erschließen von älteren und neueren Texten, im Literaturverständnis überhaupt, außerdem zeigte er Bezüge der Literatur zum „richtigen“ Leben auf. „Romeo und Julia“, Shakespeares große Tragödie um Liebe, Feindschaft, Treue und Familienzugehörigkeit, war immer Teil des letzten Halbjahres. Und genau das ist auch ein Teil dieses Buches: Dixon beschreibt seinen Unterricht und wir Leser*innen lernen quasi automatisch mit, wenn wir wollen.

Der andere, eigentlich größere Teil, erzählt von Dixons Zeit in Verona – denn Glenn Dixon war tatsächlich an den Ort gefahren, an dem Romeo und Julia spielt. Er hatte gelesen, dass es eine Gruppe von Frauen gibt, den Club de Giulietta, die seit Jahren ehrenamtlich alle Liebesbriefe beantworten, die in Verona für Julia eingehen. Sie kommen aus der ganzen Welt und so half Dixon beim Beantworten der englischen Anschreiben. Auch die Briefe sind Teil dieses sehr gefühlvollen Sachbuches. Denn sowohl die Reise als auch die Briefe waren eigentlich Mittel zum Zweck: Dixon war seit Jahren in eine Frau verliebt, die freundschaftliche Gefühle aber keine Liebe für ihn hegte, und er wollte die Zeit nutzen um sein Leben neu zu sortieren.

Dass dieses Buch auf Erlebtem basiert, ist sehr reizvoll – aber die Kombination Club der Giuliettas, Verona heute und Shakespeare macht es wirklich lesenswert!

Glenn Dixon: „Wie ich dank Shakespeare in Verona die große Liebe fand“, Verlag Kiepenheuer und Witsch, € 9,99, eBook € 9,99, 978-3-462-05114-8
Altes Eisen?

Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie sind Mitte 50, Sie mögen Ihren Job, fühlen sich zu Hause etwas deplatziert und erwarten eigentlich nix mehr so wirklich vom Leben. Und dann beschließt Ihr Chef, die Firma zu verkaufen und die neuen Inhaber legen keinen Wert auf Ihre Erfahrung. Sie dürften dort bleiben, allerdings in einem saublöden Job zwischen den Stühlen – oder Sie gehen mit einigermaßen gutem Gehalt in den Ruhestand.

Timothy Gandy entscheidet sich für den Ruhestand. Und merkt relativ schnell, dass das schwierig zu handhaben ist: Zu Hause ist er eher im Weg, gemeinsame Zeit gibt es nicht mehr als vor seinem Ruhestand, verreisen will seine Frau nicht – und ständig als Hilfshandwerker für den Sohn arbeiten, das nun will er nicht, zumal der Sohn die Nase ziemlich hoch trägt. Timothys ältere Tochter ist ihm fremd geworden, nur zur Jüngsten, die mit Ace zusammen ist und bald ein Kind erwartet, nur zu Rosie hat er ein inniges Verhältnis. So schlittert er in einen ungeliebten Alltag, und wahrscheinlich hätte er nichts geändert, aus Angst, alles zu verlieren – doch es kommt anders, seine Frau stirbt sehr plötzlich an Herzversagen. Nach ein paar Monaten ist ihm klar, dass er jetzt die Karten ganz neu mischen kann: Timothy Gandy begibt sich auf eine längere Europareise und entdeckt die Welt und auch das Leben neu!

Das hier ist ein wirkliches Wohlfühlbuch mit reichlich Hintergrund, mit schönen Beschreibungen einer klassischen Reise nach Frankreich und Italien, also einer sogenannten „Grand Tour“, mit Herz und Schmerz und Freundschaft. Passt in jeden Koffer, an den Strand – und in ein Pariser Café oder an die Côte d‘ Azur auch.

Alan Titchmarsh: „Mr. Gandys große Reise“, Harper Collins, 978-3-95967-150-7 € 15,00, eBook € 11,99
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