Krimi Lieblinge 2025 - 2024 - Buchhandlung und Verlag Bornhofen in Gernsheim am Rhein

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Unsere Krimi-Lieblinge in 2024:
Fabio Stassi: Die Seele aller Zufälle

Sechs Sätze ohne ersichtlichen Zusammenhang – das ist alles, was Giovanna Baldini an Informationen für den Bibliotherapeuten Vince Corso hat. Diese Sätze wiederholt ihr an Demenz erkrankter Bruder regelmäßig, es sind die einzigen Worte, die er verständlich äußert. Eigentlich hilft Corso Menschen dabei, reale oder eingebildete Probleme mithilfe Literatur zu lösen. Dieses Rätsel aber ist kein Problem wie jedes andere, denn Signora Baldini möchte das Buch finden, aus dem die Sätze stammen, um es ihrem Bruder vorzulesen. Corso verspricht nichts – obwohl ihm die stattliche Entlohnung sehr zupass kommt –, ertappt sich aber schon bald dabei, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Immer wieder kommt ihm der Zufall zu Hilfe. Doch wirklich ernst wird es erst, als er herausfindet, dass Giovanna Baldini nicht die ist, die sie vorzugeben scheint …

Das ist ein ganzes Literaturfeuerwerk: Viele interessante Empfehlungen und reichlich kluge Zitate verführen nicht nur dazu, diesen tollen „Detektivroman“ (so das Cover) mit bemerkenswertem Genuss zu lesen – sie machen auch große Lust, sich näher mit den erwähnten Büchern zu beschäftigen. Außerdem wandert man durch Rom, lernt seine Bewohner*innen kennen, entdeckt Plätze, Straßen und Cafés: Viel mehr Italien geht kaum.

Edition Converso, Übersetzung: Annette Kopetzki, 978-3-949558-30-6, € 24,00

Michael Wagner: Himmelfahrt. Höllenfahrt.

Unfall mit Todesfolge, Fahrer unbekannt – was so nüchtern klingt, ist für die Familie des 10-jährigen Opfers Michaela vollkommen unfassbar. Auch Sabine, die mit Michis großer Schwester Christine befreundet ist, ist außer sich. Und so sitzt sie aufgelöst vor Theo Ketterlings Wohnung, als dieser von der Beerdigung seines Bekannten Kurti nach Hause kommt. Die Polizei sieht wenig Möglichkeiten, den Unfallfahrer zu finden, es ist schnell klar, dass das Trio Lieselotte Larisch, Theo und Sabine ermitteln muss. Lieselotte Larisch – die Theo auch Chefin nennt, obwohl er als Frührentner natürlich keine Chefin hat – sucht das Gespräch nicht nur mit der Familie, sondern mit dem ganzen Dorf und entdeckt bald, dass an Christi Himmelfahrt vor 10 Jahren schon einmal ein Unglück die Familie traf. Gibt es einen Zusammenhang?

Der 70er-Jahre Krimi – so lautet der Untertitel zu diesem eher beschaulichen Kriminalroman. Und 70er-Jahre-Feeling gibt es hier satt: vollgerauchte Räume, schwierige Absprachen mithilfe Telefonzellen, fleischlastige Hausmannskost und orange Badfliesen sind das eine; der Umgang miteinander das andere. Ein bisschen erinnert mich das Erzähltempo und der Aufbau an einen Freitagabendkrimi, das hat mir reichlich Vergnügen bereitet. Und Theo Ketterlings Verwicklung in den Fall, die ihn vielleicht Sabines Zuneigung kosten wird, ist gut und glaubhaft mit der Handlung verwoben.

(Auch wenn das schon das vierte Buch dieser Reihe ist: Das kann man gut solo lesen, die Charaktere werden erklärend aber unaufdringlich eingeführt. Und man bekommt auch keine Infos über alte Fälle – die Reihenfolge der Lektüre ist beliebig …)

Landwirtschaftsverlag, 978-3-7843-5652-5, € 15,00
Maarten Vermeer: Die Toten von Veere

Rob van Loon ist verschwunden. Hoofdinspecteur Liv de Fries soll herausfinden, was mit ihm passiert ist - und damit von der Bildfläche verschwinden. de Fries hat gerade einen Mann erschossen, und auch wenn das Notwehr war, wird sie ziemlich sicher in den Medien an den Pranger gestellt werden. Denn es war schon der zweite Mann, bei dem sie nicht auf die Beine zielte und der migrantischer Herkunft war. Bei ihren Ermittlungen stößt sie auf Verbindungen ins rechtsextremistische Milieu und auf ein vor vielen Jahren verschwundenes Mädchen. Wo sind da Verbindungen? Und warum reagiert ihr Chef so übertrieben?

Zeitgleich mit de Fries' Untersuchung ermittelt auch die Leichenbeschauerin Ann-Remi Bloom - auch wenn ihr Chef den Tod eines Reporters als Sturz nach Herzinfarkt einordnet. Sie sieht am Leichnam Hinweise, die mit dieser Theorie unvereinbar sind ...

Die rund 550 Seiten haben mehrere Erzählstränge (einer davon im Jahr 1944 kurz vor der Befreiung Zeelands durch die Engländer). Trotzdem kann man dem sehr gut folgen und es ist wirklich spannend, klug und interessant. Der Autor hat einiges über Rechtsextremismus hineingepackt, ohne dass das aufgesetzt ist. Und gewisse Ambivalenzen, weil die Charaktere eben nicht nur schwarz oder nur weiß gezeichnet sind, sind auch nachvollziehbar dargestellt. Unbedingte Empfehlung!

Verlag Harper Collins, 978-3-365-00565-1, € 14,00
  
Amy Achterop: Die Hausboot-Detektei – Tödlicher Genuss

Maddie sitzt auf der Anklagebank, denn sie hat Schuldirektor Visser zu Boden befördert. Und das würde sie, so bestätigt sie dem Gericht, auch wieder tun, wenn jemand menschenverachtend über ihre Schwester spräche. Nur Arie freut es, dass sie nun vorbestraft und arbeitslos ist – denn Arie, Ex-Cop, gerade geschieden und auf einem Hausboot wohnend, kann jemanden wie Maddie gut gebrauchen. Für seine Privatdetektei, für die er liebend gerne Außenseiter engagiert, aber nur solche mit Herz, Verstand und besonderen Fähigkeiten. Bald sitzen sie zu fünft auf dem Hausboot, bauen Tomatenpflanzen an, gucken Miss-Marple-Filme und adoptieren ein Eichhörnchen. Ihren ersten Fall nehmen sie nur an, weil sie endlich Übung bekommen wollen: Sterne-Koch Gabriel Petit braucht geheime Informationen, damit er einen Auftrag bekommt. Das ist eigentlich unter ihrem Niveau und gegen bestehende Gesetze werden sie auch verstoßen müssen. Aber was will man machen? Der nächste Fall findet sich dann quasi von selbst, als die Leiche eines Sommeliers auftaucht. Hat das eine etwas mit dem anderen zu tun?

Dass die Autorin Amy Achterop Amsterdam liebt, das merkt man in jedem Satz. Dass sie außerdem skurriles Personal mag, einen humorvolle Schreibstil hat und auch bei vielen Drehungen im Geschehen den Überblick behält, merkt man genauso. Die Reihe um die „Hausboot-Detektei“ ist außerdem spannend und gut geschrieben: Man freut sich auf jeden einzelnen Band!

Fischer Verlag, 978-3-596-70670-9, € 12,00

Ralf Schwob empfiehlt: „Das Schweigen des Wassers“ von Susanne Tägder
Ein ungesühntes Verbrechen

Hauptkommissar Groth aus Hamburg ist kurz nach der Wende in der mecklenburgischen Provinz alles andere als willkommen. Obwohl er selbst dort aufgewachsen ist, begegnet man dem Aufbauhelfer in kriminalistischen Fragen mit Misstrauen. Alte Seilschaften und neue Verschwiegenheit machen dem angeschlagenen Kommissar das Leben schwer. Als der Bootsverleiher Siegen Eck tot aufgefunden wird, soll die Sache schnell als Unfall abgehakt werden - aber Groth stößt auf Ungereimtheiten, die den Todesfall in einem anderen Licht erscheinen lassen und weit zurückweisen, nämlich zum Mord an einem jungen Mädchen in den 80er Jahren.

Bei seinen Ermittlungen stößt er auf eine Kellnerin, die sich vor kurzem im Ausflugslokal am See verdingt hat und offenbar mehr weiß, als sie zugeben will. Während Groths Chef die Ermittlungen eher verschleppt, wird er bei seiner Suche nach der Wahrheit ausgerechnet von einem Kollegen unterstützt, der unter Stasi-Verdacht steht …

„Das Schweigen des Wassers“ ist kein rasanter Ermittlerkrimi mit vielen Toten, sondern ein sich langsam steigernder Spannungsroman, der über die Lebensgeschichten seiner Protagonisten ein dichtes erzählerisches Netz spinnt, in dem man sich als Leser nur zu gern verfängt. Obwohl das Buch in erster Linie ein Krimi ist, ist der zeitgeschichtliche Hintergrund mindestens genauso spannend. Susanne Tägder vermeidet weitgehend die gängigen Ost-Klischees und macht es sich auch bei der Lösung des Falls nicht leicht.

Tropen Verlag, 978-3-608-50194-0, € 17,00

Ralf Schwob empfiehlt: Der Einäugige und die Lahme

Polizeiobermeister Kay Oleander hat ein Auge verloren. Aus der Menge demonstrierender Menschen heraus hat ihn eine Flasche getroffen, nun ist er krankgeschrieben und wartet auf die Versetzung in den Innendienst. Er sucht die Person auf, die im Verdacht steht, die Flasche geworfen zu haben, und trifft eine vom Leben enttäuschte, körperlich behinderte Frau an. Es dauert lange, bis die beiden Vertrauen zueinander aufbauen. Silvia Glaser ist wegen ihres Unfalls, der sie zur Gehbehinderten gemacht hat, den Staatsorganen gegenüber äußerst kritisch eingestellt. Sie sucht die Gesellschaft zu Menschen, die wie sie von den Behörden und Ordnungsorganen im Stich gelassen wurden, und gerät dabei in den Umkreis einer neurechten Partei. Als sie dort von Anschlagplänen erfährt, zieht sie Kay Oleander ins Vertrauen, der sich aber nicht sicher ist, welche Absichten Silvia wirklich verfolgt …

Anis Roman ist kein klassischer Thriller oder Krimi. Die Spannung baut sich nur langsam auf und wird immer wieder durch die genaue Beschreibung der Seelenqualen Oleanders ausgebremst. Obwohl es vordergründig um einen politisch motivierten Anschlag geht, sind die eigentlichen Fragen, die hier aufgeworfen werden, eher existenzieller Natur. Die beiden Hauptpersonen sind versehrte Menschen, die mit ihren Dämonen ringen und doch gegen alle Widerstände versuchen, das Richtige zu tun. Friedrich Ani schaut seinen Figuren tief in die Seelen und lässt uns sprachlich sehr direkt teilhaben an ihrem Leben, das kurz davorsteht, komplett aus den Fugen zu geraten.

Friedrich Ani: Bullauge, Suhrkamp Verlag, 9783518473726 € 13,00

Josephine Tey: „Alibi für einen König“

Alan Grant liegt mit multiplen Brüchen im Krankenhaus – er ist, grotesker kann ein Dienstunfall nicht sein, durch eine Falltür gestürzt. Die Bücher auf dem Nachttisch langweilen ihn fast noch mehr als die ewiggleiche Zimmerdecke über ihm. Bis Marta Hallard bei ihrem zweiten Besuch einen ganzen Umschlag voller Portraits mitbringt: Sie kennt seine Vorliebe für Gesichter und dachte, es könne ein guter Zeitvertreib sein, etwas über die historischen Persönlichkeiten herauszufinden. Aus dem letzten Portrait liest Grant ein großes Verantwortungsgefühl des Dargestellten heraus, sowie einen hohen Grad an Perfektionismus. Zu seinem großen Erstaunen ist es Richard III, ein König des 15. Jahrhunderts, der in englischen Geschichtsbüchern als der große Schurke dargestellt wird: Er soll seine beiden Neffen zur Seite geschafft haben, um sich den Thron zu sichern. Wie passen Geschichte und Bild zusammen?

„Alibi für einen König“ wurde 1969 von einer britischen Jury zum besten Krimi aller Zeiten gewählt. Ich habe ihn gerade zum zweiten Mal gelesen (das erste Mal ist fast dreißig Jahre her …) und kann diese Entscheidung sehr gut verstehen! Josephine Tey erzählt mit hintergründigem Humor von einer Ermittlung, die ungewöhnlicher nicht sein kann. Der Kriminalfall liegt 600 Jahre zurück, es gibt darum selbstverständlich keine Quellen aus erster Hand und die Geschichtsschreibung widerspricht sich in vielerlei Hinsicht. Und doch kommt Grant zu einem logischen und nachvollziehbaren Ermittlungsergebnis. Das ist wirklich großartige Krimikost – und ich bin sehr froh, dass gerade alle Bücher von Josephine Tey wiederauflegt werden!

Oktopus (ein Imprint des Kampa-Verlages), Übersetzung Maria Wolff, 978-3-311-30050-2, € 17,90

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