Sachbuch Lieblinge in 2017 -2016 - Buchhandlung und Verlag Bornhofen in Gernsheim am Rhein

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Unsere Sachbuch-Lieblinge in 2017:
Freiheit ist ein Wort, das niemals schweigt

Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis wird seit 1991 alle zwei Jahre von der Stadt Osnabrück „für belletristische, journalistische und allgemeinverständliche wissenschaftliche Arbeiten“ verliehen, die „sich mit den Themen ‚innerer und äußerer Frieden‘ auseinandersetzen“. Leitlinie sei dabei das Motto des in Osnabrück geborenen Schriftstellers Erich Maria Remarque „Mein Thema ist der Mensch dieses Jahrhunderts, die Frage der Humanität“, an dessen pazifistisches Engagement damit erinnert wird.
 
Die türkische Schriftstellerin und Essayistin Asli Erdogan hat im September 2017 diesen renommierten Preis entgegennehmen können. Wenn Sie wissen möchten, warum sie die aktuelle Preisträgerin ist, dann sei Ihnen „Nicht einmal das Schweigen gehört uns“ empfohlen: Asli Erdogan findet Worte für die entsetzlichsten Taten und schreibt sie ohne Rücksicht auf ihre eigene Unversehrtheit nieder. Ob es der Besuch in der Fabrik Oskar Schindlers ist, mit dem deutlichen Bezug zu der Verhaftung türkischer Wissenschaftler, oder ihre Beobachtungen bei der Revolution im Juli 2016 in Istanbul, ob es das Wüten der türkischen Armee mit unvorstellbaren Gräueltaten in den Kurdengebieten Anfang 2016 ist oder der Foltertod des Gewerkschafters Süleyman Yeter im Jahr 1999 – jedes Wort ist treffend, jeder Satz eine Mahnung. Nicht nur für die Türkei, sondern für alle Völker dieser Welt.

Alsi Erdogan: „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“, Knaus Verlag, € 17,99, eBook € 13,99

Commuovere

„vollkommen ergriffen sein, zum Beispiel von einer traurigen Geschichte“, Italien, Verb – das ist die Bedeutung des unübersetzbaren Wortes „commuovere“. Vielleser, besonders von Familiengeschichten, vermissen es vermutlich im deutschen Wortschatz. Zumindest geht es mir so, denn einige meiner Lieblingsbücher erzeugen genau dieses Gefühl der vollkommenen Ergriffenheit – vielleicht übernehmen wir das Wort also einfach ins Deutsche? Schwieriger wird das mit „Mamihlapinatapai“, ein Substantiv aus der Sprache der chilenischen Ureinwohner Feuerlands, Yaghan, es ist deutlich komplizierter zu merken. Und „Eine stillschweigende Übereinkunft zwischen zwei Menschen, die sich beide das Gleiche wünschen (und beide nicht den ersten Schritt tun wollen)“ kommt ja auch etwas seltener vor, glaube ich. „Komorebi“ hingegen ist jetzt im Sommer ein großes Vergnügen: „Das Sonnenlicht, das durch die Blätter von Bäumen schimmert“.
 
Dieses zauberhaft illustrierte und schön gestaltete Buch im hübschen Querformat versammelt eine ganze Menge unübersetzbare Begriffe. Immer mal wieder passen zwei aus ganz unterschiedlichen Kulturen gut zusammen, das ist witzig und reizvoll: Boketto aus dem Japanischen und Uitwaaien aus dem Holländischen, die beide etwas Meditatives haben. Ganz am Ende stehen dann vier uns sehr geläufige Worte – sie entstammen der deutschen Sprache. (Alle Texte in Anführungsstrichen sind direkte Zitate aus dem Buch.)

Ella Frances Sanders: „Lost in Translation“, Dumont Buchverlag, € 18,00

Praktisch

Erfahrene Gärtner lernen beim Lesen von „Wird das was – oder kann das weg?“ vielleicht nicht mehr wirklich viel. Für alle anderen ist das schmale Buch ein Grundlagenwerk – äußerst übersichtlich werden 100 (Un)Kräuter dargestellt und zwar, das ist die Besonderheit, mit jeweils drei Fotos, auf denen die Pflanzen in unterschiedlichen Wachstumsstadien abgebildet sind, sowie mit Erläuterungen, die zeitlich gestaffelt sind.
 
Im kurzen Steckbrief steht alles Wichtige, die abgebildeten Symbole zeigen auf Anhieb alles Beachtenswerte und sowieso ist das sehr übersichtlich dargestellt: Ist die Pflanze essbar und falls ja, wie? Oder ungenießbar bzw. sogar leicht oder sehr giftig? Invasiv oder besonders zu schützen? Gut für Bienen? Vielleicht sogar für die Vase geeignet? Kann oder sollte man sie zwischenzeitlich umpflanzen (wenn sie, wie zum Beispiel die Glockenblumen, erwünschte Zierpflanzen sind)?
 
Alle diese Fragen beantwortet die Autorin Bärbel Oftring kurz und gut: Sie ist seit vielen Jahren Fachfrau für Bücher rund um Natur und Garten, auch ihre Kinder-Naturführer sind absolut empfehlenswert.

Bärbel Oftring: „Wird das was – oder kann das weg?“, Kosmos Verlag, € 16,99

Ein Überblick

„Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie“. Wer sich unter diesem Titel eine Anleitung für Kreativität vorstellt, liegt falsch: Tatsächlich ist dieses Buch eine Sammlung von Kurzportraits berühmter Wissenschaftler, eine Sammlung, die gleichermaßen informativ und interessant ist. Der Autor Ernst Peter Fischer stellt 50 wichtige Personen (von Galileo Galilei bis Anton Tschechow) aus allen naturwissenschaftlichen Bereichen jeweils auf drei bis vier Seiten vor; stets beginnt er mit einem für diesen Menschen passenden Zitat. Selbstverständlich kann er in der Kürze nur die wichtigsten Daten nennen, doch gerade das macht dieses Buch so spannend – denn das Wissen wird wie ein Staffelholz weitergegeben, die Entdeckungen bauen aufeinander auf oder ergänzen sich. Fischer gelingt es, die jeweils wichtigsten Thesen und Gedanken herauszuarbeiten, so dass wir Leser tatsächlich einen sehr guten Überblick bekommen. Ein Überblick, der dazu führt, mehr wissen zu wollen …
 
„In der Wissenschaft gleichen wir alle nur den Kindern, die am Rande des Wissens hie und da einen Kieselstein aufheben, während sich der weite Ozean des Unbekannten vor uns ausstreckt.“ Isaac Newton

Ernst Peter Fischer: „Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie“, Penguin Verlag, € 9,00, eBook € 7,99

Alles, was informativ, prüfbar, verantwortungsbewusst und unabhängig ist

2010, neun Jahre nach Beginn des Irakkrieges, wollen die Journalisten Sarah und Alex für mehrere Monate nach Syrien und in den Irak reisen. Sie wollen die Menschen dort porträtieren, ihren Alltag verstehen und vorstellen, zeigen, ob und welche Spuren der Krieg hinterlassen hat. Die beiden haben Jahre vorher die unabhängige Zeitung „The Globalist“ gegründet, bereits mehrere Auszeichnungen für ihre Reportagen erhalten, sie reisen regelmäßig in die unterschiedlichsten Gegenden der ganzen Welt, oft erhalten sie Fördergelder. Doch bei dieser Reise ist die Finanzierung nicht gesichert – denn das, was sie vorhaben, die vielen kleineren Sequenzen, machen es unmöglich, öffentliche Gelder zu erhalten. Sie werden von Sarah Glidden begleitet, deren großes Können es ist, „einfache“ Comics über wichtige Themen zu machen. Auch Dan, ehemaliger GI und Irak-Veteran ist bei der Reise dabei, auch die Beziehungen zwischen Soldaten und Bevölkerung sind so immer wieder ein Thema.

„Im Schatten des Krieges“ ist Sarah Gliddens Buch über diese Reise, natürlich ein Comic. Auch sie verschreibt sich dabei den journalistischen Regeln (siehe Überschrift) – und so sind ihre „Reportagen aus Syrien, dem Irak und der Türkei“ nicht nur Berichte über die Menschen dort, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den Fragen die Journalismus aufwirft. Ihre Bilder und Beschreibungen sind mitfühlend und tiefgründig, aber nie voyeuristisch. Ein wichtiges Buch, gerade jetzt.

Sarah Glidden: „Im Schatten des Krieges“, Reprodukt Verlag, € 29,00

Jetzt anfangen …

Kind, Erwerbsleben. 65ster Geburtstag. Zack, Rentner. So sahen früher die üblichen Lebensläufe aus, und damit war auch nahezu das Lebensende erreicht. Heute gilt das nicht mehr, heute sprechen wir nicht mehr von drei Lebensabschnitten, sondern von vieren. Denn in der Zeit nach dem Renteneintritt sind wir Menschen in Deutschland (oder auch Europa) meist noch topfit, aktiv, lebensfroh. Die Gleichung Rente = Alter, sie stimmt so nicht mehr. Doch wie wollen wir die gewonnene Zeit füllen? Ganz sicher nicht mit Gemeckere, Langeweile und Vorabendserien. Eher mit Sinn, Fröhlichkeit, Freude und Entspanntheit.

Allerdings muss man dann auch wissen, was zu erwarten ist. Der Autor Hajo Schumacher hat sich genau umgesehen im Alltag der Menschen Ü60. Er hat zum Beispiel ein Praktikum im Pflegeheim gemacht, aber auch im noblen „Altershotel“ übernachtet – er hat sich möglichst viele, teils gute, teils schreckliche Alternativen alt zu werden angesehen. Er hat Studien gewälzt, mit Psychologen gesprochen, Aikido gemacht. Uns Leser lässt Schumacher teilhaben an den Erlebnissen und an der gewonnen Erkenntnis: Gut „altern“ will gelernt sein und gelingt darum am besten, wenn man sich weit vor Renteneintritt Gedanken macht, wer man ist und was man will.

Hajo Schumacher: „Restlaufzeit“, Verlag Bastei Lübbe, TB € 10,99, HC € 19,99, eBook € 8,49

„Menschen sind die Grundlage der Gesellschaft“

Gerhard Steidl macht ganz besondere Bücher. Inhaltlich sowieso, handwerklich ganz besonders: Alles, vom Konzept über die Gestaltung bis hin zum Druck, wird direkt im Verlagshaus gemacht. Steidl ist Verleger und Motor seines Verlagshauses, er hat genaue Vorstellungen davon, wie ein Buch zu sein hat. Zum Beispiel soll keine Kaschierung auf die Fotoseiten, damit man die Qualität der Fotografien sehen und nicht nur erahnen kann, damit man den Duft des Papiers wahrnimmt. Der Verleger überlässt nichts dem Zufall – dabei ist er ganz auf der Seite seiner Künstler und arbeitet eng mit ihnen zusammen.
So ist das auch in diesem Buch: Die Bilderserien des Fotografen Ed Kashi sind bestmöglich in Szene gesetzt. Ganz bewusst sind keine Erklärungen auf den Fotoseiten, sie folgen im Anschluss. „Sugar Cane“, das erste der beiden Fotoessays, zeigt das Leben der Zuckerrohrarbeiter und ihrer Familien in Nicaragua und El Salvador, ungeschönt und aufrüttelnd. In „Syrien Refugees“ bildet Kashi den Alltag der Flüchtlinge in den Lagern rund um Syrien ab, einen Alltag, der neben dem Grauen erstaunlich viele normale Momente enthält.
Dabei ist das vorliegende Buch kein reines Fotobuch, die abgedruckten Gespräche über die Arbeit von Human Rights Watch, über die Menschenrechte überhaupt, sind erhellend und vielfältig. Die drei Interviewten haben, bei aller Unterschiedlichkeit, ein gemeinsames Ziel: Sie stellen immer wieder klar, dass die Menschenrechte weltweites Allgemeingut und als solches stets zu wahren, zu schützen und umzusetzen sind.

Ronald Grätz und Hans-Joachim Neubauer (Hg.): „Einsatz für die Menschenrechte / Sugar Cane / Syrian Refugees“, Steidl Verlag, € 28,00
Unsere Sachbuch-Lieblinge in 2016:
Typisch?

„Dies ist, was wir teilen.“ Dieses Motto der Buchmesse-Gastländer hat der Niederländer Pieter Steinz nicht nur verinnerlicht – er überwindet damit die Ländergrenzen ganz Europas! Anhand 100 Dingen (ich fasse diesen Begriff hier sehr weit …) beschreibt er, welchen gemeinsamen kulturellen Schatz wir Europäer haben; es sind 100 ausgesprochen unterhaltsame Kurzbeschreibungen, klug gewählt und gut recherchiert. Der Bogen spannt sich vom französischen Chanson, Gypsy-Jazz, die Stradivari und Wagner, über Bosch und Breugel, die Konzeptkunst einer Maria Abramovic, den Atlas Maior, William Turner und Piet Mondrian, russische Fabergé-Eier, Harry Potter, Astrid Lindgren, Elias Canetti und die Epen Homers, Coco Chanels „kleines Schwarzes“ bis hin zur Schwarzen Madonna von Tschenstochau. Sie sehen es: breit gefächert in Themen und Ländern bietet Steinz alles, was das Herz begehrt. Einen Anspruch auf Vollständigkeit hat er dabei nicht, sein Augenmerk liegt auf Gemeinsamkeit. Ergänzt durch ein Register, zwei Landkarten, einen Literatur- und Bildnachweis (damit man alles auch im Original finden kann) lässt er uns Europa sehr genussreich erlesen und erfahren. Ein Sachbuch, das wirklich Freude macht!

Peter Steinz: „Typisch Europa“, Knaus Verlag, HC € 29,99, eBook € 23,99

Wundervoll …

Und das gleich im doppelten Sinn – inhaltlich und hinsichtlich der Gestaltung: Die Niederländer Floor Rieder (Illustrationen) und Jan Paul Schutten (Text) haben nach dem genialen „Evolution“ schon zum zweiten Mal ein rundum gelungenes Sachbuch für Menschen ab 8 Jahren gemacht. Es handelt vom Menschen, der Untertitel „Das Wunder unseres Körpers und seiner Billionen Bewohner“ beschreibt den Inhalt ganz hervorragend. Schutten gelingt mit seiner direkten Ansprache ein ganz einfacher Zugang zur Wunderwelt, die wir alle sind; zehn Kapitel (vom „Wunder der Zellen“ bis „Überleben“) erklären das umfangreich und trotzdem sehr verständlich. Die Kapitel wiederum sind in unterhaltsame Sequenzen unterteilt („Warum du deine Freunde am Geburtstag zu Rosenkohl einladen solltest“ oder „Warum deine Finger in Badewasser runzlig werden“ um wenigstens zwei zu nennen …) und all das ist faszinierend, klug und sehr, sehr schön von Floor Rieder illustriert. Wir sind schwer verliebt (auch in die Haptik!!).
Natürlichgibt es eine besonders wichtige Frage: Warum Jugendliche öfter in der Notaufnahme landen als Bilbiothekarinnen. Und die Antwort darauf …

Jan Paul Schutten / Floor Rieder: „Der Mensch oder Das Wunder unseres Körpers und seiner Billionen Bewohner.“, Gerstenberg Verlag, € 26,00
Übersichtlich, knapp – und aufschlussreich

Was ist das Wesen der Wirklichkeit? Wie ist der Mensch wirklich beschaffen? Was ist das Besondere am menschlichen Geist und Bewusstsein? Gibt es überhaupt etwas, dessen wir uns gewiss sein können? Was ist Wahrheit? Was ist Bedeutung?
Mit diesen und noch mehr Fragen beginnt das Buch „Philosophie – ein Sachcomic“. Antworten liefert es nur bedingt – die Suche nach Erklärungen oder Beweisen ist ja genau die Grundlage der Philosophie, und meist ergibt sich aus einer Erklärung schon die nächste Frage. Welche philosophischen Richtungen es in den letzten Jahrtausenden gab, wer welche Fragen aufwarf oder Denkmuster anregte, das veranschaulicht dieses Taschenbuch sehr übersichtlich. Auch wenn die Bezeichnung „Comic“ nicht ganz korrekt ist (hier wird keine Geschichte in Bildern erzählt, die Zeichnungen verdeutlichen „lediglich“ den Text) – das Buch überzeugt, denn es regt auf unterhaltsame Art zum Nachdenken an, zum weiteren Studium der Philosophen und ihrer verschiedenen Denkschulen. Die Hinweise auf weiterführende Lektüre und ein schematischer Überblick über die westliche Philosophie (das ist übrigens der einzige wirkliche Kritikpunkt: das Buch bezieht sich ausschließlich auf die westliche Philosophie) machen diese nähere Beschäftigung dann erheblich leichter …

Robinson & Groves: „Philosophie“, aus der Reihe „Ein Sachcomic“, TibiaPress Verlag, € 12,00

Erdkunde einmal anders.

Jeder kennt sie, jeder nutzt sie: Briefmarken sind selbstverständliche Dinge des Lebens. In Zeiten vor der EDV waren sie für Privatleute und Geschäfte gleichermaßen notwendig, ohne sie war ein Kontakt über weitere Strecken schwer möglich. Da ist es nachvollziehbar, dass es für Staaten wichtig war, möglichst schnell eigene Briefmarken gestalten und drucken zu lassen – auch wenn sich diese Länder im Nachhinein manchmal als sehr kurzlebig herausstellten.
Burkhard Müller hat 60 Marken von „verschollenen Ländern“ herausgepickt, er präsentiert deren Abbildung mit einem kurzen, sehr interessanten und zum Teil sogar  amüsante Bericht über die „dazugehörigen“ Staaten. Dabei hat er nicht nur geschichtliche Fakten recherchiert, er versteht es auch, diese Fakten in einen großen Zusammenhang zu stellen. Der Untertitel sagt eigentlich alles: „Eine Weltgeschichte in Briefmarken.“

Burkhard Müller: „Verschollene Länder“, Verlag zu Klampen, HC € 24,00, eBook € 9,99


Genial? Genial.

Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen: wir mögen Sachbücher. Nicht die knochentrockene Sorte, bei der man jeden Satz dreimal lesen muss, um annähernd zu verstehen, was gemeint ist – sondern die Unterhaltsamen, die, bei denen es dem Autor gelingt, es „menscheln“ zu lassen. Die, bei denen neben der Darstellung reiner Fakten auch der Bezug zum wirklichen Leben gelingt.
So eines ist „Vergessene Erfindungen – Geniale Ideen und was aus ihnen wurde“ von Christian Mähr. Auch (oder gerade weil) keines seiner „Objekte“ im heutigen Leben noch Bedeutung hat, weder der Semaphor noch der Holzvergaser kommen in unserem Alltag vor - aber zu ihrer Zeit, für die dem Autor sehr bildhafte Beschreibungen gelingen, waren sie wichtige, absolut fortschrittliche Erfindungen. Besonders fein für die Nichttechniker ist übrigens, dass Mähr ein Kapitel auch den Kunstsprachen widmet.

Christian Mähr: „Vergessene Erfindungen – Geniale Ideen und was aus ihnen wurde.“ DuMont Buchverlag, € 9,99, eBook € 7,99

Ein ganzes Berufsleben in Bildern

Wenn man den Namen Sven Norqvist liest, erscheinen sofort ein älterer Herr, ein vorwitziger Kater, eine wilde Werkstatt und eine gemütliche Küche sowie kleine Gestalten, Mucklas genannt, vor dem inneren Auge: Die Bilderbücher über den pfiffigen, leicht schrägen Pettersson und seinen quirligen Kater Findus kennt eigentlich jedermann. Die über 30-Jährigen vom Vorlesen, alle darunter auch vom Vorgelesen bekommen. Viel weniger bekannt ist, dass Nordqvist, bevor er sich ganz dem Bilderbuchgeschehen zugewandt hat, auch als Grafiker arbeitete und mit Lithographien sein Geld verdiente. Und auch seine vielen anderen Bilderbuch- und Buchprojekte, die zum Teil gar nicht ins Deutsche übersetzt sind, stehen meist nicht im Regal zu Hause.
Zum 70. Geburtstag Ende April hat der Oetinger-Verlag diese Wissenslücke nun gefüllt und ein Buch über Norqvists Schaffen herausgebracht. Das ist so vielfältig, skurril und interessant, so informativ auch bezüglich des Zeitgeschehens, dass man es immer wieder in die Hand nehmen und Neues (auch neues Bildmaterial) entdecken mag. Indes: für Kinder ist es nicht gemacht.

„Sven Nordqvist – Eine Bildreise.“ Oetinger Verlag, € 19,99  

Sehr erhellend!

Immer, wenn im Kopf so viele lange Geschichten sind, dass irgendwie kein Platz für ein neues Buch zu sein scheint, suche ich mir ein Sachbuch aus dem Regal. Meine neueste Entdeckung ist bereits im letzten Jahr erschienen, es wurde in den Feuilletons als sehr gut recherchiert gelobt. Prüfen kann ich dieses Lob nicht – aber den anderen Beschreibungen der Kritiker (sehr informativ, mit leichter Hand und einigem Humor geschrieben, dabei stets zeit- und sozialkritisch) stimme ich vorbehaltlos zu!

Die Rede ist von Alastair Bonnetts „Die seltsamsten Orte der Welt“. Der Autor nimmt uns mit in geheime Höhlensysteme (das „Labyrinth“ im Kapitel „Versteckte Geographien“), zu gelebter Kapitalismuskritik in New York („Gutterspaces“ im Kapitel „Ausnahmeräume“), aber auch ins Mekka der Jetztzeit (auch wenn er als Nicht-Muslim es nicht betreten darf). In acht Kapiteln erklärt er ganz unterschiedliche Systeme und Welten – alle sind echt, alle sind einzigartig. Und ausgesprochen interessant auch für Leser wie mich, die bisher dachten, dass Geographie sie eher nicht packt.

Alastair Bonnett: „Die seltsamsten Orte der Welt.“, C. H. Beck Verlag, € 19,99, eBook € 15,99  

Spannend anzusehen!


In den frühen 50er Jahren machte es für das Alltagsleben des „kleinen Mannes“  keinen großen Unterschied, ob der Wohnort zur Bundesrepublik oder zur DDR gehörte: der Alltag war geprägt von oft schwierigen Familienverhältnissen, weil viele Väter mit ihren Kriegstraumata nur schwer Anschluss fanden, außerdem von Wohnungsnot und Lebensmittelmarken. Das änderte sich im Laufe dieses Jahrzehnts in mannigfacher Hinsicht – während sich im Westen durch den Marshall-Plan Wohlstand ausbreitete, hatten die Menschen im Osten sehr viel schwierigere Bedingungen, zum Beispiel, weil die Besatzungsmacht Russland sehr viel mehr Industrie abschöpfte, als die westlichen Besatzungsmächte es taten.

In diesem klug konzipierten Bildband werden zahlreiche Fotos des gesamten Jahrzehnts einander gegenübergestellt. Aufgeteilt in sechs Kapitel (von Konsum und Bauen bis hin zu Kunst und Arbeit) zeigen sie mehr Gemeinsames als Trennendes! Und das ist wirklich spannend anzusehen.

Andrea Mayer: „Die Fünfzigerjahre. Deutsches Alltagsleben in Ost und West.“ Palm Verlag, € 14,95


Annähernd 100 Jahre

John Dos Passos war gerade 25 Jahre jung, als er 1921 ausgiebig den Orient bereiste. Die Region war, auch wenn der Erste Weltkrieg bereits beendet war, alles andere als friedlich. Griechen und Armenier, die Truppen um Mustafa Kemal Pascha, später Atatürk genannt, und die Soldaten des Abd al-Aziz ibn Saud, aber auch die englischen und französischen Kolonialmächte sowie die Bolschewiken stritten (und kämpften manchmal) miteinander um die Aufteilung des Gebietes.

Dos Passos Aufzeichnungen sind aber keine Kriegsreportagen. Vielmehr gelingt ihm eine vielfältige Beschreibung der Menschen und Landschaften, er verschriftlicht seine Eindrücke so abwechslungsreich und gekonnt, dass sie auch fast 100 Jahre später noch lesenswert sind. Sein Reisejournal ist frei von Klischees oder Beschönigungen, dazu in einer so vielfältigen und aussagekräftigen Sprache verfasst, dass wir Leser mittendrin sind in den Gerüchen, Farben, Konflikten, Freuden und so dicht als möglich an den Menschen dran. Das alles ist, auf verblüffende, beängstigende Weise, auch heute aktuell.

John Dos Passos: „Orient-Express“, dtv, € 9,90, HC 18,90, Hörbuch € 19,99, eBook € 9,99


Eine Liebeserklärung in Worten

Man kann sich einem Land auf sehr unterschiedliche Arten nähern: Prospekte wälzen, Reiseführer durcharbeiten, in Bildbänden schwelgen, im Internet stöbern. Nirgendwo bekommt man aber einen so persönlichen Eindruck wie in den pfiffigen Büchern „111 Gründe, xy zu lieben“ aus dem Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf - nur lange Gespräche mit Kennern des jeweiligen Landes sind ergiebiger, was die liebenswerten Eigenheiten angeht.

Matthias Kneip reist regelmäßig nach Polen, seit er Anfang der 80er Jahre gemeinsam mit den Eltern dort war. Er kennt die Eigenarten der Menschen, ihre Liebe zum Wörtchen „trudno“ genauso wie die schöne Krankheit „pastelosa“, er ist begeistert von ihrer Höflichkeit und fasziniert vom Nebeneinander von neu und alt. So fällt es ihm sichtlich leicht, seine „111 Gründe, Polen zu lieben“ in ausgesprochen unterhaltsame Worte zu fassen – und wir Leser wollen eigentlich nur noch Koffer packen, hinfahren und alles erleben und sehen, wovon Herrn Kneip so kundig berichtet …

Matthias Kneip: „111 Gründe, Polen zu lieben“, Schwarzkopf & Schwarzkopf, € 9,99


Eine Liebeserklärung in Bildern

Über 180 Fotografien, teils Detailaufnahmen, teils ganze Landschaften oder Städte beinhaltet der Bildband „Reise durch Frankreich“ aus dem Stürtz Verlag. Die Bensheimer Fotografen Tina und Horst Herzig und die Reisejournalistin Ulli Langenbrinck haben Frankreich in vielen Reisen kennen und lieben gelernt – und das sieht und liest man auf jeder Seite! Beginnend im Norden gibt es wunderbar stimmungsvolle Bilder und bis in den lichtdurchfluteten Süden hinunter sind dazu sehr aussagekräftige Kurztexte zu lesen. Die Sonderseiten Paris und die Kunst, Kaiser Napoleon, unvergleichlicher Champagner und die sagenumwobenen Duftessenzen der Parfumeure sind interessant gemacht und lesenswert, darüber hinaus sorgen ein Register fürs schnelle Nachschlagenkönnen und eine Übersichtskarte für die Orientierung.

Dies alles gibt es auch von anderen Verlagen, zum Teil prächtiger, zum Teil dicker, ist schon klar. Aber so viel Genuss und Urlaubsvorfreude (oder Schwelgen nach der Reise) für im Verhältnis so wenig Geld, das bietet eigentlich vor allem der relativ kleine Stürtz-Verlag mit seiner Reihe „Reise durch …“

Herzig / Langenbrinck: „Reise durch Frankreich“, Stürtz-Verlag, € 16,95


Sehr erhellend!

Immer, wenn im Kopf so viele lange Geschichten sind, dass irgendwie kein Platz für ein neues Buch zu sein scheint, suche ich mir ein Sachbuch aus dem Regal. Meine neueste Entdeckung ist bereits im letzten Jahr erschienen, es wurde in den Feuilletons als sehr gut recherchiert gelobt. Prüfen kann ich dieses Lob nicht – aber den anderen Beschreibungen der Kritiker (sehr informativ, mit leichter Hand und einigem Humor geschrieben, dabei stets zeit- und sozialkritisch) stimme ich vorbehaltlos zu!
Die Rede ist von Alastair Bonnetts „Die seltsamsten Orte der Welt“. Der Autor nimmt uns mit in geheime Höhlensysteme (das „Labyrinth“ im Kapitel „Versteckte Geographien“), zu gelebter Kapitalismuskritik in New York („Gutterspaces“ im Kapitel „Ausnahmeräume“), aber auch ins Mekka der Jetztzeit (auch wenn er als Nicht-Muslim es nicht betreten darf). In acht Kapiteln erklärt er ganz unterschiedliche Systeme und Welten – alle sind echt, alle sind einzigartig. Und ausgesprochen interessant auch für Leser wie mich, die bisher dachten, dass Geographie sie eher nicht packt.

Alastair Bonnett: „Die seltsamsten Orte der Welt“, C. H. Beck Verlag, € 19,99, eBook € 15,99


Vielfältig in jeglicher Hinsicht

Auch wenn das im kleinen, feinen Dryas-Verlag erschienene Buch „Günstig reisen mit Kindern“ heißt – für Touren ohne Kinder ist es genauso hilfreich. Denn es werden, sehr persönlich von völlig unterschiedlichen Menschen, ganz verschiedene Reisen vorgestellt. Da gibt es die im Untertitel erwähnten Reisen nach Österreich (Ferien auf dem Bauernhof) und Oman (eine Autorundreise mit nur zum Teil vorgebuchten Wohnmöglichkeiten). Aber es gibt noch eine Vielzahl anderer Reiseformen (von der Fahrradtour bis Bungalowboot-Shippern) und interessanter Ziele, zum Teil so nah, dass die Anfahrt fast schon Urlaub ist, wie zum Beispiel die Wallonie, zum Teil so fern, dass es sich lohnt einen einwöchigen Zwischenstopp auf der Hälfte des Weges zu machen. Alleine das Blättern weckt Fernweh und Vorfreude!

Sehr praktisch sind die Kurzeinführungen vor jeder Beschreibung und die übersichtlichen Datensammlungen am Ende – dort finden Sie alles vom Vor- und Nachteil der Reiseform bis hin zu Spartipps. Jeder Trip endet mit einem Fazit und alleine das hilft schon, einen guten Eindruck zu gewinnen; dieses Buch ist eigentlich ein Muss für die Reiseplanung. Davon abgesehen: Denken Sie an die dezentrale Lagerung von Schnullern und Pixibüchern um dem Verlust-Supergau vorzubeugen. Auch das ist ein Tipp aus diesem Buch.

Geraldine Friedrich (Hrsg.): „Günstig reisen mit Kindern“, Dryas-Verlag, € 11,95, eBook € 6,99


Wenn einer eine Reise macht …

… dann kann er was erleben. „Ferdinand mag große Schiffe, hohe Wellen und ferne Länder. Darum will er eine laaange Schiffsreise machen. Und jede Menge Abenteuer erleben. Die mag er nämlich ganz besonders.“ Und so macht sich Ferdinand auf den Weg, nicht ohne seinen Freunden eine ganz besondere Flaschenpost zu versprechen, eine, die von jedem Abenteuer ein kleines Stück enthält. Durch Zufall startet er ganz unten im Maschinenraum des Dampfers (da muss natürlich eine Schraube in die Flasche) und dann arbeitet er sich langsam nach oben, durch Parkdeck, Kühl- und Lagerräume, an ganz unterschiedlichen Schlafkabinen vorbei. Bis er, an Deck angekommen, ein wunderschönes fernes Land erblickt.

Schon das Format dieses herrlich skurrilen Bilderbuches ist ganz besonders. Nicht hoch, dafür sehr breit, sodass ein ganzes Schiffsdeck je Doppelseite, bis oben gefüllt mit den wunderlichsten Dingen, Platz findet und es unglaublich viel zu entdecken gibt. Ferdinands Geschichte wird noch dazu in herrlich lautmalerischer Sprache erzählt, Rattattatataaa, Brrrr, braaaavoooooo, da bereitet das Bilderbuchlesen erst recht Vergnügen. Dem Vorleser übrigens ganz genauso …

Anna Weber / Christian und Fabian Jeremies: „Ferdinand auf hoher See“, Magellan Verlag, € 12,95


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