Kunst im Dezember 2015.
Anregung zur Achtsamkeit
Zeitdruck und starre Vorstellungen des Auftraggebers, lange Arbeitszeiten, hohe Anforderungen an ein erfülltes Privatleben – wo bleibt da der nötige Raum für Kreativität? Wie lebt man ein Leben mit reichlich „Alltag“ und erhält sich die Fantasie? Und wie setzt man Ideen um?
Frank Berzbach gibt Anregungen, wie das Leben eines Kreativen (und, ich finde, auch eines „normalen“ Arbeitenden) gelingen kann. Seine Texte sind gespickt mit Zitaten aus der Philosophie und den Weltreligionen, und auch wenn für ihn Meditation (fast) ein Allheilmittel zu sein scheint, erwarten den interessierten Leser viele neue Aspekte und ungewöhnliche Tipps. Berzbach lehrt seit fast einem Jahrzehnt an Designschulen Psychologie und Sozialwissenschaften; seine Arbeitszeit verbringt er also hauptsächlich mit Menschen, die einen kreativen Beruf anstreben. Seine Ausbildung erlaubt ihm einen kritisch-freundlichen Blick auf ihre Welt – und das ist hilfreich und erhellend.
Frank Berzbach: „Die Kunst ein kreatives Leben zu führen.“,
Verlag Hermann Schmidt, € 29,80
Eine Freude
„Das ist so gut, man würde nicht meinen, dass es von einer Frau gemalt ist.“ Lee Krasners Kunstlehrer sagte das in den 1930er Jahren zu ihr – man glaubt kaum, wie hartnäckig Malerinnen über Jahrhunderte hinweg übergangen wurden; oder so herablassend behandelt, wie das obige Zitat es zeigt. Dabei war Krasner eine höchst begabte junge Frau, die schon sehr früh wusste, dass sie trotz große familiärer Widerstände Malerin werden will. Krasners Portrait bildet fast den Abschluss dieses feinen Buches: die beiden Autorinnen beginnen mit einer kurzen Einführung über die künstlerisch und wissenschaftlich arbeitenden Nonnen des Mittelalters und widmen dann jeweils mehrere Seiten einer einzigen Künstlerin. Beginnend mit Artemisa Gentileschi - „Die Kämpferin“ genannt, die zu ihrem großen Glück in der Malerwerkstatt ihres Vaters ausgebildet wurde und deren beeindruckende Werke dem frühen Barock zuzuordnen sind – spannen die Autorin einen Bogen über vier Jahrhunderte hin zu Louise Bourgeois –„Die Unbeirrbare“, deren Kindheit vom sie abwertenden Vater geprägt war und die neben Bildern auch unzählige Plastiken erschaffen hat. Jedes Portrait ist mit Bildern ergänzt, so dass man ihr vielfältiges Können auch bewundern kann. „Ich mache es auf meine Art.“ ist ein auf den ersten Blick kleines Buch mit großem Inhalt!
Ulrike Halbe-Bauer / Brigitta Neumeister-Taroni: „Bedeutende Künstlerinnen“,
Belser Verlag, € 9,95
Einzigartig!
Ein Bildband, der sich mit den vatikanischen Bauten des Barock beschäftigt, muss vor allem klug konzipiert sein: einerseits bedarf es fachkundiger Erklärungen, andererseits sollten sie auch für Laien verständlich sein. Außerdem benötigen die Bilder um zu wirken genügend Raum, ein großes Format ist eigentlich unerlässlich.
„Der Vatikan. Architektur – Kunst – Zeremoniell“ erfüllt all diese Kriterien …
Aber eigentlich wollen wir Ihnen dieses Buch ans Herz legen, weil es verzaubert und mitten hinein führt in eine ungewohnte Welt. Im 16. und 17. Jahrhundert war der Vatikan nicht nur das Zentrum der christlichen Welt sondern auch der Ausgangspunkt für ein neues Kunstverständnis - von Sankt Peter aus eroberte der Barock ganz Europa. Diese barocke Pracht ist auf den unzähligen, sehr detailgetreuen Fotografien zu bewundern, Fotografien, die zum Teil nur hier veröffentlicht sind. Wie gesagt: verzaubernd.
„Der Vatikan. Architektur – Kunst – Zeremoniell“, Belser Verlag, € 148,00
… der Fotograf ist nur ein Vermittler.
Der Satz stammt von Eikoh Hosoe, einem japanischen Fotografen, der in den beginnenden 1960er Jahren seine Fotografien veröffentlichte. Allerdings trifft er für die meisten Fotografen zu, die in Tom Angs Prachtbildband „Die Geschichte der Fotografie in 1500 Bildern“ versammelt sind. In acht Kapiteln stellt er nicht nur herausragende Künstler und ihr Werk vor, sondern er gibt auch der Technik genug Raum, die ja bei der Fotografie in besonderem Maße ausschlaggebend ist. Angs Zuordnungen sind thematisch und doch den jeweiligen Jahrzehnten zugeordnet, von den Jahren 1825 bis 1849 „Die ersten Bilder“ über 1915 bis 1939 „Identitätsfindung“ bis hin zu 2000 bis heute „Das digitale Zeitalter“. Entstanden ist ein Buch mit dem man viel Zeit verbringen kann, zum Blättern, Eintauchen, Lernen. „Warum wir dieses Bild abdrucken … Weil Worte einfach nicht ausreichen.“ So ist es.
Tom Ang: „Die Geschichte der Fotografie in über 1500 Bildern.“ Verlag DK, € 39,95
Kultur!
Erst seit dem 18. Jahrhundert werden Fundstücke auf ihre kulturelle Bedeutung hin wahrgenommen und untersucht, das ist eigentlich noch gar nicht so lange. Vor allem, wenn man weiß, dass die Menschen schon immer „alten“ Dingen neue Verwendungen zugeteilt hat. Auch danach wurden die Fundstücke oft genug einfach mitgenommen und manchmal weit entfernt ausgestellt. Im prachtvollen Bildband „Das Museum der Weltkulturen“ sind sie alle miteinander versammelt: das Mapungubwe-Nashorn aus Afrika, das goldene-Löwenamulett aus dem alten Ägypten, eine Hunde-Pfeife der Hopewell in Südamerika, die Kofun-Grabfigur aus Japan, Felsenmalerei der Aborigines – es sind rund 140 Artefakte, die beschrieben, zeitlich zugeordnet und in Zusammenhang miteinander gestellt werden. Die wunderbaren Illustrationen laden zur ausgiebigen Betrachtung ein, und auch Texte und Ausstattung sind sehr gut gewählt. Es macht einfach Freude, schon Kindern ab 9 Jahren, in diesem Buch zu blättern und sich in andere Zeiten und Lebensweisen hineinzuversetzen.
„Das Museum der Weltkulturen – Eintritt frei!“, Prestel Verlag, € 24,95
Hier stimmt ja gar nichts!
„Was macht der Riesenkamm im kleinen Bett? Wer hat das Weinglas in die Puppenstube gestellt? Sind wir in einem Zimmer oder draußen unter freiem Himmel? Darauf gibt uns Maler René Magritte keine Antwort.“ Es folgen noch ein paar erklärende Sätze über Magritte, seine ungewöhnliche Art, die Welt darzustellen und damit für „Unruhe im Kopf“ zu sorgen. Daraus entwickeln die Autoren die herrliche Idee, in alten Bilderrahmen Collagen a lá Magritte zu erschaffen, inklusive Materialliste, Erklärungen und Fotos. Das „Mitmachbuch für Kinder“ ist eine richtige Fundgrube! Zwölf Künstler werden darin vorgestellt, und auch wenn der Schwerpunkt auf der Moderne liegt, Tizian und die Zeichnungen eines mittelalterlichen Stundenbuchs haben ebenso Platz. Anschließend gibt es, passend zu den einzelnen Kunstwerken vielfältige Bastel- oder Malanleitungen. Die sind alle so klug zusammengestellt und klar strukturiert, dass Grundschulkinder sie ganz alleine in Angriff nehmen können und auch ältere Kindergartenkinder nur wenig Unterstützung brauchen. Künstlerisch wertvoll.
Astrid Hille / Dina Schäfer / Saskia Gaymann: „Guck mal Kunst“,
Belser Verlag, € 14,95