Sachbuch Lieblinge in 2021 - 2020 - Buchhandlung und Verlag Bornhofen in Gernsheim am Rhein

Homesymbol

Öffnungszeiten: MO-FR 9:00 - 12:30 | 14:00 - 18:30 | SA 9:00 - 13:00 | FON 06258 4242 | FAX 06258 51777 | MESSENGER 0170 234 2006Nutzen Sie unseren Lieferservice und "enttummeln" Sie den Laden. Wir liefern DI und FR von Groß-Rohrheim bis Crumstadt!Wir haben viele Klassiker und Bestseller schön weihnachtlich verpackt für Sie bereit liegen ...Buchen Sie die Mittagspause oder den amstag Nachmittag zum "selber stöbern"!

Kopfzeilesymbole
Newsletter     Hilfe        tolino Webreader         Öffnungszeiten          Wunschliste           Login / Mein Konto
Stickyhomesymbol
Direkt zum Seiteninhalt
Unsere Sachbuch-Lieblinge in 2020:
So kocht man in Wien!

Als Alice Urbach 1935 ihr zweites Kochbuch veröffentlichte, hatte sie schon ein sehr bewegtes Leben hinter sich: Durch ihre Hochzeit mit dem Arzt Max Urbach war sie aus großbürgerlichen Verhältnissen mitten in ein Leben in relative Armut gerutscht, hatte nach dem Tod des Gatten eine Kochschule eröffnet, mit deren Hilfe sie sich und die beiden Söhne nicht schlecht durchbrachte. Das Kochbuch „So kocht man in Wien!“ sollte ein zweites Standbein werden und gute Ausbildungen für die Söhne sichern. Doch es kam, wie wir alle wissen, ganz anders: Mit dem im Jahr 1938 vollzogenen Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland verlor die Jüdin Alice Urbach alles. Sogar ihr Kochbuch, das fortan unter dem Autorennamen Rudolf Rötsch gedruckt wurde. Bis heute ist von Verlagsseite keine Stellungnahme zu diesem geistigen Diebstahl erfolgt.

Karina Urbach ist die Enkelin der Kochbuchautorin und sie schreibt in „Das Buch Alice“ die Geschichte ihrer Familie von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre hinein. Sie beschönigt nicht, deutet eher an. Jeder, der sich mit dem Holocaust und jüdischer Geschichte auch nur ein wenig auseinandergesetzt hat, weiß ihre Worte aber mit den entsprechenden – entsetzlichen – Bildern zu füllen. Davon abgesehen, ist die Geschichte der Alice Urbach unglaublich faszinierend und es gelingt der Autorin, tief einzutauchen ins Wien der ersten drei Jahrzehnte, ins England der Kriegszeit und auch in die Arbeit der Geheimdienste. Starke Empfehlung.

Karina Urbach: „Das Buch Alice“, Propyläen Verlag, 978-3-549-10008-0, € 25,00
Aale. Überall Aale.

Es zählt zu den schönen Erlebnissen aus Patrik Svenssons Kindheit: Die Abende, die er mit seinem Vater zum Fluss ging, um die Langleinen (oder die Pödderknoten) auszulegen – und ein paar Stunden später dann das Begutachten des Fangs. Sein Vater liebte Aal in jeglicher Variante, Patrik weniger, aber das tat der Freude am gemeinsamen Tun keinen Abbruch. Und so erzählt er von vielen kleinen Begebenheiten im Miteinander. Aber er erzählt vor allem auch über den Aal selbst, über die Stadien im Leben eines Aals und auch über den Ort, an dem der diese Stadien durchlebt. Denn Aale sind weitreisende Tiere: Ihr kleinstes Stadium, die Weidenblätter, findet sich in der Sargassosee – auch vom europäischen Flussaal! Überhaupt ist der Aal ein sehr geheimnisvolles Tier, seit tausenden Jahren versuchen Menschen, sein Leben zu erkunden, die „Aalfrage“ ist ein fester Bestandteil der Tierforschung bis ins 19te Jahrhundert hinein. Und im Grunde besteht sie immer noch, leicht abgewandelt, denn man weiß noch lange nicht, was der Aal alles erlebt und warum.

Ich habe überhaupt nicht gewusst, dass ich mich für Aale interessiere. Und wenn meine Lieblingskolleg*innen mir das Buch nicht so ans Herz gelegt hätten, dann hätte ich es ganz sicher nicht gelesen! Aale! Aber sie hatten einfach recht: Svenssons Buch, das zwischen Sachbuch und Erzählung changiert, ist großartig. Er versteht, Lebensgeschichte, Philosophie und Ökologie miteinander zu verknüpfen – es ist die reine Freude und ein großer Genuss. Und eigentlich auch Anstiftung zum Lesen überhaupt.

Patrik Svensson: „Das Evangelium der Aale“, Übersetzung: Hanna Granz, Hanser Verlag, 978-3-446-26584-4, € 22,00

Eine Kleinstadt, ganz in der Nähe von München …

In Puchheim leben Menschen aus 115 Nationen, es ist vielfältig und bunt (und hat eine wunderbare Buchhandlung, ich kann nur jedem den Besuch bei Nicola Bräunling und ihrem Team empfehlen). Seit ein paar Jahren ist das Quartier Planie im Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ – und damit beginnt die Geschichte dieses Kochbuches. Denn der Quartiersmanager der Puchheimer Planie hatte die Idee, die Gemeinsamkeiten der vielen Nationen nach außen zu tragen und gleichzeitig die Vielfalt zu betonen. Womit gelingt das besser als mit einem Kochbuch? Viele Menschen kochen ausgesprochen gerne und essen „müssen“ wir ja sowieso alle. Gesagt, getan. Und so wurden Menschen aus 21 Nationen in ihrer Küche besucht und beim Kochen fotografiert; es ist erstaunlich, wie viel Persönliches sich dabei offenbart. Natürlich sind auch die Rezepte samt Zutatenliste abgedruckt. Mich fasziniert da vor allem, wie unterschiedlich Reis zubereitet werden kann und dass er wirklich auf nahezu der ganzen Welt ein fester Bestandteil der Küche ist. Es gibt allerdings auch viele Rezepte mit völlig anderen Zutaten – nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von diesem Kochbuch bekommen. Das im Übrigen vermutlich auch deshalb so schön geworden ist, weil der Verlag sehr viel Übung mit Kochbüchern hat. Aber nicht nur: Die Aktion selbst ist großartig und die Rezepte machen Lust aufs Kochen. Was will man mehr?

Mehmet Ismail Birinci & Aveen Khorschied: „Komm in meine Küche!“, Verlag GU, 978-3-8338-7555-7, € 24,00


Ein Buch zur Stunde?

Die letzten Wochen haben gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen gebracht, die wir uns noch in der Woche vor den Einschränkungen nicht haben vorstellen können. Und wie es tatsächlich weitergeht, das lässt sich auch nicht sagen – und das nicht nur bezüglich der Ausbreitung von Covid-19 bzw. deren Verhinderung. Ich bin weit davon entfernt, Corona „als Chance“ wahrzunehmen, dafür gibt es zu viele Tote und zu schreckliche Zustände in vielen Ländern. Trotzdem wäre jetzt die Möglichkeit, Gesellschaft und Wirtschaft neu zu denken. Weg vom Immer-mehr, hin zur Verantwortlichkeit gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt.

„Equal Care“ ist eines der Bücher zur Stunde. Auf wenigen Seiten und gut lesbar stellen Almut Schnerring und Sascha Verlan dar, was „Care“ überhaupt bedeutet (es gibt kein deutsches Wort, das diesen Sinn darstellen kann – Fürsorge trifft es nicht ganz genau), wer sie leistet, wie sie gewertet wird. Und wie sie gewertet werden müsste, um ihr gerecht zu werden, mit positiven Folgen für jeden Einzelnen. Dabei analysieren und entwerfen sie gerade nicht nur für die privaten Care-Situationen, sondern betrachten Verantwortlichkeit auch aus unternehmerischer und staatlicher Sicht. Auch wenn das Buch in recht kurzer Zeit gelesen ist: Der Inhalt beschäftigt lange und nachhaltig.

Almut Schnerring / Sascha Verlan: „Equal Care. Über Fürsorge und Gesellschaft“, Verbrecher Verlag, 978-3-95732-427-6, € 16,00, eBook € 10,99   

Geschichte im Comic

Als der deutsche Kaiser im November 1918 abdankte und zwei Tage darauf das Waffenstillstandsabkommen unterschrieben wurde, hatten die Alliierten noch keine konkreten Vorstellungen, wie es mit den deutschen Ländereien weitergehen sollte. Dass sie aufgeteilt und unter Aufsicht gestellt werden sollten, das war klar; und auch dass einige Gebiete anderen Ländern zugeschlagen werden sollte – aber wie genau die Grenzen verlaufen sollten, dafür gab es (noch) keinen konkreten Plan.

So kam es zu einer Konstellation, die nur schwer vorstellbar ist: zwischen den beiden französischen Stützpunkten Mainz und Koblenz gab es ein kleines Gebiet, dass weiterhin deutsch blieb. Da aber die Bereiche rund um Mainz und Koblenz quasi mit dem Zirkel abgesteckt worden waren, ohne Rücksicht auf die bestehende Infrastruktur, waren die Menschen dort nur schwer zu erreichen und ein Warenaustausch kaum möglich, die Straßen endeten regelmäßig an französischen Grenzübergängen.

In ihrem Comic „Freistaat Flaschenhals“ erzählen Marco Wiersch und Bernd Kissel, wie es damals zugegangen ist, wie die Einwohner des „Freistaates“ (der politisch gar keiner war …) ihre Situation meisterten. Sie zeigen große Hilfsbereitschaft aber auch politisches Kalkül und Missgunst – ohne in die Falle der Schönfärberei zu tappen. Das ist wirklich interessant, auch schon für Jugendliche, und toll gezeichnet! Ab und an ist der Erzählstrang nicht ganz durchgehend, aber nach wenigen Bildern ist man wieder ganz in der Geschichte: Genau so soll es bei einer Graphic Novel ja auch sein.

Marco Wiersch / Bernd Kissel: „Freistaat Flaschenhals“, Carlsen Verlag, 978-3-551-78150-5, € 20,00  

Vor der Wahl

Die Wahl des US-amerikanischen Präsidenten wird uns die nächste Zeit beschäftigen. (Donald Trumps Tun tut es nicht minder …) Da ist es durchaus hilfreich, zu wissen, was einzelne Begriffe bedeuten, wer wann Präsident war und wer der dazugehörige Vizepräsident – aber auch, mit welchen Mitteln in der amerikanischen Demokratie gearbeitet, gekämpft wird.

Stefan A. Sengl hat auf einer längeren Studienreise durch die USA Einblicke in die Arbeit verschiedenster politischer Institutionen genommen, er kommentiert seit Jahren die Präsidentschaftswahlen im Fernsehen und begleitet und organisiert Wahlkämpfe in seiner Heimat Österreich. „Das politische ABC der USA“, in dem er einen Teil seines Wissens an uns Leser weitergibt, ist ein profundes Nachschlagewerk mit zahlreichen Querverweisen, das man immer wieder in die Hand nehmen kann – ob die Nachrichten gerade Neuigkeiten über die US-Wahl bringen oder man einen historischen Roman liest, der (auch) politische Hintergründe hat: Hier finden sich die passenden Informationen für ein breiteres Verständnis der Sachlage. Sehr empfehlenswert!

Stefan A. Sengl: „Das politische ABC der USA“, Czernin Verlag, 978-3-7076-0698-0 , € 14,00, eBook € 9,99

Klimakrise zum Anschauen

Wie wandelt sich das Klima? Und warum? Gibt es global gültige Faktoren? Kann es uns egal sein, dass die Pole abschmelzen?
Antworten auf diese und noch viel mehr Fragen kann man nahezu überall nachlesen, das Internet ist voll von Informationen. Auch Bücher zum Thema gibt es einige, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche, übersichtliche und weniger übersichtliche, leider auch Polemik. Das ist eigentlich gut, weil sich jeder die für sich günstigste Herangehensweise aussuchen kann – und nicht ganz so gut, weil es mittlerweile ziemlich schwer ist, einen Überblick zu bekommen.

Für alle Jugendlichen und Erwachsenen, die vor allem Zusammenhänge begreifen, sich aber trotzdem schnell informieren wollen, ist „Das Klimabuch“ von Esther Gonstalla das passende Buch. Bereits in der dritten Auflage und damit aktuell in 2019 überarbeitet, stellt die Grafikerin auf jeweils einer Doppelseite verschiedene Einzelthemen dar (von „Wie das Klimasystem funktioniert“ über „Versteckte Emissionen im Warenhandel“ und „Das Meereis in der Arktis schwindet“ bis „Nachhaltig konsumieren“). Die Sortierung ist so gewählt, dass die Themen in der Reihenfolge aufeinander aufbauen – man kann also jede Seite für sich betrachten, aber auch einen guten Zusammenhang herstellen. Darüber hinaus ist in kurzen Notizen erklärt, worauf es ankommt; und oft genug ist auch eine wichtige zusätzliche Information abgedruckt (z. B. das zum Fußabdruck von uns hier in Deutschland natürlich auch die Produktion von uns genutzter Waren in der ganzen Welt gehören.)

Rundum empfehlenswert!

Esther Gonstalla: „Das Klimabuch – Alles, was man wissen muss, in 50 Grafiken“, Oekom Verlag, 978-3-962381-24-0, € 24,00, eBook € 18,99
Dokumente – oder Fälschungen?

In "Mengeles Koffer" aus dem Osburg Verlag beschreibt Bogdan Musial, deutsch-polnischer Historiker, wie ihm Dokumente aus dem Nachlass eines Häftlingsarztes angeboten werden, der unter Mengele gearbeitet haben soll. Wie er erst ziemlich mühsam an die Unterlagen kommt, immer wieder vertröstet wird und nur durch sorgfältiges Arbeiten und die Hilfe eines klugen Übersetzers einem Betrug auf die Spur kommt - sämtliche Dokumente sind gefälscht. Musial beschreibt aber auch, auf vielen, vielen Seiten, sehr sachlich und in der Fülle kaum fassbar, das System Auschwitz. Nur durch die nüchterne Darstellung ist das überhaupt lesbar. Aber auch darum ist „Mengeles Koffer“ ein beeindruckendes, wichtiges Buch.

Und aus dem Grund, den Musial selbst benennt (S. 161 und 162): "Denn neben den Schäden, die sie (die Fälscher) im Leben Einzelner anrichten, entfalten sie gesamtgesellschaftlich eine verheerende Wirkung: Sie schüren generell Zweifel an der Authentizität von - oft ohnehin spärlichen - Quellen zum sogenannten Dritten Reich. (...) Sie spielen damit all jenen in die Hände, die die Erkenntnisse der Forschung zum Nationalsozialismus und insbesondere den Holocaust ohnehin für eine Lüge halten."

Bogdan Musial: „Mengeles Koffer – Eine Spurensuche“, Osburg Verlag 978-3-955102-00-5, € 24,00  eBook € 14,99
 
Zukunft? Zukunft!

Mario Sixtus, Jahrgang 1966, ist Journalist, Dokumentarfilmer, Online-Berichterstatter, er ist der Online-Welt fast näher als der Offline-Welt. In seinem ersten Buch verbindet er beide Welten und reicht sein profundes Wissen über „Zukunft“ an uns Leser*innen weiter: Er erklärt, wie sich unsere Sicht auf die Zukunft im Laufe der Zeit verändert hat, ob und was Zukunft überhaupt ist. Er stellt dar, wie unser Gehirn durch die ihm eigene Chemie arbeitet, wie es mit Informationen umgeht und was dies wiederum mit unseren Reaktionen bezüglich des „Später“ zu tun hat. Das ist ausgesprochen interessant und sehr vergnüglich zu lesen. Vergnüglich nicht wegen der Quintessenz (die sieht Sixtus dezent hoffnungsvoll …), sondern vergnüglich bezüglich seiner Vergleiche und Verweise, die oft sehr bildhaft dargestellt werden.

Selbstverständlich kann man Sixtus‘ Buch wegen des Begriffs Zukunft lesen. Aber wirklich wichtig wird es, weil er die Zukunft vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe betrachtet – zu wissen, warum wir Menschen wie zukunftsfähig sind, ist ein Schlüssel zur Veränderung. Und die ist dringend nötig!

Mario Sixtus: „Warum an die Zukunft denken?“, Verlag Duden, 978-3-411-75634-6, € 14,00, eBook 11,99 €



Zurück zum Seiteninhalt